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Der Wiedehopf
So hat Hinrich Vierk einmal vom Schneidermeister Wiedehopf erzählt:
Es begeben sich die wunderbarsten Dinge in der Welt: Könige sind
Bettler und Bettler sind Könige geworden und kann man keinem ansehen,
was er einst gewesen ist und was er noch werden kann. So ist der
Wiedehopf einst ein Damenschneider gewesen, und wer sieht es ihm
jetzt wohl an, daß er vormals in feiner und zierlicher Gesellschaft
gelebt hat? Er hat in einer großen reichen Stadt gewohnt und sich
wie ein hübscher und feiner Gesell gehalten und einen bunten seidenen
Rock getragen, und ist von einem vornehmen Hause in das andere und
von einem Pallast in den andern gegangen und hat die kostbaren Zeuge
und Stoffe, woraus er Kleider machen sollte, zu Hause getragen. Und
weil er hübsch und manierlich gewesen ist, haben alle hübsche Frauen
ihn zu ihrem Schneider genommen und immer hat er Arbeit bei ihnen
gehabt, und auch der Königin, als sie gekrönt werden sollte, hat er
den Rock zugemessen. So ist Meister Wiedehopf bald ein sehr reicher
Mann geworden und hat doch nicht genug kriegen können, sondern ist
immer herumgelaufen und hat zu Hause geschleppt und oft so viel zu
tragen gehabt, daß er wie ein Karrengaul unter seiner Last stönen und,
wann er die Treppen hinaufstieg, _Huup! Hupupp!_ schreien mußte.
Diese Arbeitseligkeit und Habseligkeit hätte Gott ihm wohl vergeben,
aber es ist eine arge Habsucht daraus geworden, und die hat der Herr
nicht länger mit Geduld ansehen können. Der Schneider hat zuletzt
gestohlen und von allen Zeugen, die er in die Mache bekam, seinen
Theil abgekniffen und abstipitzt. Da ist es ihm denn geschehen, daß
er eines Abends, als er mit einem schweren Bündel und noch schwereren
_Hupupp! Hupupp!_ die Treppe hinaufächzete, plötzlich in einen
bunten Vogel verwandelt worden ist, welcher Wiedehopf heißt und um
die Häuser und Ställe der Menschen umfliegen und dort mit
unersättlicher Gier das Allergarstigste auflesen und in sein Nest
tragen muß. Er trägt bis diesen Tag einen bunten Rock, aber einen
solchen, der an einen schlimmen Ort erinnert, wohin die Diebe und
Schelme gehören. Der eine Theil des Rockes ist rabenschwarz, der
andere feuerroth, und sind beide Theile Farben der Hölle, denn das
Schwarze des Rockes soll die höllische Finsterniß und das Feuerrothe
das höllische Feuer bedeuten. Einen ähnlichen Rock als Meister
Wiedehopf trägt auch der Todtengräber, ein blanker garstiger Wurm,
der auf den Landstraßen herumläuft und todte Maulwürfe, Käfer und
anderes Aas begräbt; auch die bunte Blattwanze hat fast ganz dasselbe
Kleid an: beide sind Erzstinker und wahrscheinlich beide einst auch
Diebe gewesen. Das hat der Wiedehopf noch so beibehalten aus seiner
alten Schneiderzeit, daß er immer _Hupupp! Hupupp!_ schreien muß,
als trüge er noch Diebeslast, die ihm zu schwer wird. Die Leute
nennen ihn deswegen häufig den Kukuksküster, weil sein Laut aus der
Ferne wirklich oft so klingt, als wolle einer dem Kukuk seinen Gesang
nachsingen, wie der Küster dem Pastor. Aber der Kukuk ist ein
lustiger Schelm und kann sein Lied in Freuden singen, der Wiedehopf
aber ist ein trauriger Schelm, und darum muß er seufzen und klagen
und sein _Hupupp! Hupupp!_ geht ihm gar schwer aus der Kehle.